Partnerschaft

Am 10. September 1977 wurde die Partnerschaft zwischen der Stadt Niedenstein und der nordfranzösischen Gemeinde St. Germer de Fly offiziell besiegelt.

Heute, 40 Jahre nach der Unterzeichnung des Partnerschaftsvertrags, bedarf es keiner offiziellen Direktiven mehr, um diese Partnerschaft mit Leben zu füllen. Denn inzwischen gibt es viele dauerhafte Kontakte zwischen den Bürgerinnen und Bürgern der beiden Gemeinden. Die Fahrten nach St.Germer de Fly oder umgekehrt nach Niedenstein erfreuen sich großer Beliebtheit. Die ursprünglich fremde Kultur des Nachbarlandes wird immer vertrauter. Man kennt und schätzt sich eben. Und diesen deutsch-französischen Freundschaften ist es auch zu verdanken, dass der Partnerschaftsgedanke in beiden Gemeinden fest verankert ist und im Laufe der Jahre ein hohes Maß an Eigendynamik erlangen konnte.

Sprachliche Barrieren, die vor allem in den Anfangsjahren der Partnerschaft immer wieder thematisiert wurden, scheinen in den Hintergrund getreten zu sein. Das liegt zum einen an dem immer größer werdenden Teilnehmerkreis mit Fremdsprachenkenntnissen und zum anderen aber auch – und vielleicht sogar vor allem – an der sich zunehmend verbreitenden Einsicht, dass gegenseitiges Verständnis nicht unbedingt an dieselbe Sprache geknüpft ist.

Offizielle Partnerschaftstreffen

Zwei Partnerschaftstreffen pro Jahr – eins in Frankreich und eins in Deutschland – sorgen dafür, dass die engen Beziehungen zwischen  St. Germer de Fly und Niedenstein weiter vertieft und gefestigt werden. Die drei bis vier Tage dauernden Partnerschaftstreffen werden nach Möglichkeit entweder an einem Brückenwochenende oder in den Schulferien durchgeführt, damit auch Familien mit schulpflichtigen Kindern oder Jugendliche – also die zukünftigen Träger der Partnerschaft – an den Fahrten teilnehmen können. Bei der Gestaltung des Veranstaltungsprogramms werden möglichst auch die Interessen dieser jungen Gäste berücksichtigt.

Die Partnerschaftsvereine der beiden Gemeinden sind für die Organisation dieser Begegnungen verantwortlich. Unterstützt werden sie dabei von den zuständigen Mitarbeitern der jeweiligen Gemeindeverwaltung. Wenn Sie Lust haben, auch mal französische Gäste bei sich aufzunehmen oder mit nach St. Germer de Fly zu fahren, wenden Sie sich bitte an unsere Vereinsvorsitzende Andrea Fink-Beller (info@partnerschaftsverein-niedenstein.de). Diese wird Ihnen gern noch weitere Einzelheiten zu den Partnerschaftstreffen mitteilen

Die Partnergemeinde, die das Treffen ausrichtet, ist verantwortlich für die Ausarbeitung des Veranstaltungsprogramms, denn schließlich kennen sich ihre Vertreter vor Ort am besten aus. Im Vorfeld haben die Gäste jedoch die Möglichkeit, etwaige Besuchswünsche zu äußern. Das Programm ist eine Mischung aus Exkursionen, Besichtigungen, Fachvorträgen, Diskussionsforen, gemeinsamen Aktivitäten und  freien Zeiten in den Gastfamilien. In der Regel zählt eine Besuchergruppe circa 50-60 Personen, die alle bei privaten Gastgebern untergebracht werden. Zu besonderen Ereignissen, wie beispielsweise den Partnerschaftsjubiläen, kommen eventuell auch noch einige Gäste mehr.

Gruppenspezifische und individuelle Austausche

Für Gruppen und Vereine können attraktive und den jeweiligen Wünschen angepasste Begegnungen organisiert
werden. Solche teilnehmerspezifischen Besuchsprogramme wurden in der Vergangenheit beispielsweise für die Feuerwehr und den Judoclub von St. Germer de Fly und eine Volleyballgruppe aus Niedenstein entwickelt.

Auch für ganz individuelle Besuchs- und Austauschwünsche junger Leute haben wir immer ein offenes Ohr. So konnten wir in der Vergangenheit Praktikumsplätze im Niedensteiner Kindergarten bzw. in einer Niedensteiner Bäckerei inkl. Unterkunft für zwei junge Franzosen und Gastfamilien für mehrere junge Französinnen, die ihre Deutschkenntnisse verbessern wollten, finden. Umgekehrt funktioniert das natürlich auch: eine junge Niedensteinerin besuchte auf Anregung unserer Partnergemeinde  die Jugend-Sommeruniversität in Pierrefonds/Oise und ein weiterer Jugendlicher absolvierte ein zweiwöchiges Praktikum bei Massey Ferguson in Beauvais.
Ein dritter Jugendlicher besuchte sogar das Collège Marc Chagall in Gasny für ein halbes Jahr.

Schüleraustausch

Einen Schüleraustausch wie in den Anfangsjahren der Partnerschaft gibt es inzwischen nicht mehr. Dies liegt vor allem daran, dass weder in St. Germer de Fly noch in Niedenstein eine weiterführende Schule, die für die Durchführung eines solchen Austausches in Frage käme, angesiedelt ist. 2008 haben wir jedoch den Kontakt zwischen einer in St. Germer de Fly lebenden Deutschlehrerin und einer Französischlehrerin von der
König-Heinrich-Schule in Fritzlar hergestellt. Im Jahr 2009 mündete diese Kontaktaufnahme in einen ersten Schüleraustausch, an dem auch Niedensteiner Schüler teilgenommen haben.

Private Begegnungen

Neben den organisierten Partnerschaftstreffen und den vereinzelten Jugendaustauschen gibt es auch zahlreiche private Begegnungen zwischen Bürgerinnen und Bürgern aus St. Germer de Fly und Niedenstein. Im Laufe der Jahre sind viele feste Freundschaften zwischen Franzosen und Deutschen entstanden. Die Teilnahme an Familienfesten in der Partnergemeinde ist mittlerweile nichts Außergewöhnliches mehr. Leider sind es nicht immer nur freudige Anlässe, die zu einer Fahrt nach Frankreich oder umgekehrt nach Deutschland führen, sondern hin und wieder auch Beerdigungen. Aber auch – oder vielleicht sogar gerade – diese Begegnungen zeigen, wie nahe man sich steht, welchen Stellenwert die Partnerschaft im Alltag eingenommen hat: Aus ursprünglich Fremden sind im Laufe der vielen Jahre Freunde geworden, die man auch zu ihrer letzten Ruhestätte begleiten möchte.

So fing alles an

Die inzwischen verstorbenen damaligen Bürgermeister Kurt Prior auf deutscher und Roland Duhamel auf französischer Seite waren die Wegbereiter unserer Partnerschaft. Sie hatten die Idee – jeder für sich allein – ein solches Bündnis mit einer Partnergemeinde einzugehen. Aber sie brauchten natürlich auch noch Vermittler, die dabei halfen, die Idee in die Realität umzusetzen.  Auf deutscher Seite war dies vor allem Kurt Wolff. Aufgrund seiner jüdischen Abstammung musste dieser seine Geburtsstadt Wiesbaden im Jahr 1933 verlassen. Er emigrierte nach Frankreich. Dort setzte er sich nach dem 2. Weltkrieg mit großem Engagement für die deutsch-französische Aussöhnung und Verständigung ein.

Kurt Prior und Kurt Wolff lernten sich 1974 bei einer deutsch-französischen Veranstaltung auf Kreisebene, die zufällig in einer Niedensteiner Gaststätte stattfand, kennen. Pierre Hugues, der damalige Souspréfet des Departement Oise und ein guter Freund von Kurt Wolff, war ebenfalls anwesend. Bei dieser Begegnung fand ein reger Austausch über Städtepartnerschaften im Allgemeinen statt.

Ein Jahr später traf Kurt Prior bei der 1200-Jahrfeier der Stadt Borken wieder mit Kurt Wolff zusammen. Inzwischen hatte sich ersterer intensiver mit dem Partnerschaftsgedanken auseinandergesetzt und war zu der Überzeugung gekommen, dass sich Niedenstein mit einer französischen Gemeinde verschwistern sollte. Dieses zufällige Treffen fand also genau zum richtigen Zeitpunkt statt. Kurt Wolff versprach, sich zusammen mit dem Souspréfet nach einer passenden Gemeinde im Departement Oise umzuschauen. Kurze Zeit und einige Briefe später stand St. Germer de Fly als mögliche Partnergemeinde fest.

Strukturelles Ungleichgewicht

Da Niedenstein erheblich mehr Einwohner (4800) zählte als St. Germer de Fly (1400) war der Souspréfet jedoch der Meinung, dass noch eine zweite französische Partnergemeinde gefunden werden müsste, um dieses Ungleichgewicht zu beheben. Der Gemeinde La Chapelle aux Pots mit seinen 1200 Einwohnern sollte diese Aufgabe zukommen. Aber schon bei dem Besuch der ersten deutschen Delegation vor Ort hat sich gezeigt, dass eine Partnerschaft mit zwei nahe beisammen liegenden französischen Gemeinden in der Praxis nicht funktioniert. Die weiteren Bemühungen konzentrierten sich dann allein auf St. Germer de Fly

Erste direkte Kontakte

Vom 29. Mai bis zum 1. Juni 1976 fuhr die erste Niedensteiner Delegation – bestehend aus Bürgermeister Kurt Prior, zwei Magistratsmitgliedern und fünf Stadtverordneten – nach St. Germer de Fly. Diese erste Kennenlern- und Erkundungstour verlief durchweg positiv. Alle Fahrtteilnehmer waren privat untergebracht, so wie es heute auch noch üblich ist. Schon damals wurde man als Gast und nicht etwa als Tourist aufgenommen.

Bereits bei dieser ersten Begegnung wurde über einen möglichen deutsch-französischen Schüleraustausch
gesprochen. Das Interesse war auf beiden Seiten sehr groß, denn schon im Sommer 1977, also noch vor der offiziellen Unterzeichnung der Partnerschaftsurkunde, fand der erste Austausch mit 22 Schülerinnen und Schülern auf jeder Seite statt.

1977_Schueleraustausch

Unterzeichnung der Partnerschaftsurkunden

Am 10. September 1977 wurde die Partnerschaftsurkunde in Niedenstein offiziell unterzeichnet, nachdem bereits im Mai desselben Jahres die Unterschriften in St Germer de Fly geleistet worden waren. Seit diesem Zeitpunkt finden, wie oben beschrieben, regelmäßige Partnerschaftstreffen in St. Germer de Fly und Niedenstein statt. Im Laufe der Jahre haben die privaten Kontakte und freundschaftlichen Beziehungen zwischen Franzosen und Deutschen zugenommen und an Intensität gewonnen. Dass sich diese positive Entwicklung auch in der Zukunft fortsetzt, dafür steht der Partnerschaftsverein Niedenstein.